Leo in misslicher Lage

– Nach einer Grundidee von meiner Freundin Claudia –

Missliche LageEs fing schon früh an: Leo mochte nicht aufstehen, auch wenn die Mama lauthals „Leeeeooooo“, ruft. Aber es nützt alles nichts, einmal muss es sein. Aufstehen. Leo reckt und streckt sich. Er versucht, seine Fühler zu richten, da bemerkt er, dass ihm das nicht so recht gelingen will. Hier und da ein Knick. Na prima!

Auch beim Frühstück ist er heute etwas schusselig. Erst rutscht er fast von seinem Stühlchen, dann fällt sein leckeres Kirschstückchen herunter. Das reicht! Leo hat augenblicklich keinen Hunger mehr und schlendert zurück in sein Nest. ‚Ich bleibe heute zu Hause. Heute will mir gar nichts gelingen‘, sagt er zu sich, verkriecht sich in sein Nestlein und boxt in sein Kopfkissen.

Ab und zu kommt die Liesel vorbei und auch die Lotti, aber er mag keinen sehen. Aufmunterung funktioniert heute nicht, denn heute ist nicht Leos Tag. Und er weiß auch nicht, ob ihn heute noch etwas aus dem Häuschen bringt. Oder jemand.

Kurze Zeit später läutet es an der Tür. „ ‚Wer kann das sein?‘, fragt er sich. Durch sein Türchen hört er seine Mama und freundliches Gelächter. Eine große Freude in seinem Zuhause. Soviel war klar.

‚Wer ist da? Ich kann gar nichts richtig hören’, beschwert sich Leo bei sich selbst. Und so musste er aufstehen. Und zur Tür gehen. Die Neugier siegte. Leos Öhrchen wurden immer größer.

Da erkennt er die Stimme von Tante Leni. Sie wohnt in Radebeul und Leo war vor einiger Zeit auch mal bei ihr gewesen. Aber wem gehört die andere Stimme?

Da hört er seine Mama sagen: „Leo wird sich bestimmt auch sehr freuen, dich wiederzusehen!“ Leo zuckt zusammen und guckt sich in seinem Zimmerchen um. „Auweia, ich habe nicht aufgeräumt. Und überhaupt: ich kann heute nicht!“ Als er schon wieder auf dem Weg in sein Bettchen war – weil es ihm ja heute nicht gut geht und auch nichts gelingen will -, stellt sich Damenbesuch ein. Klopf, klopf!

„Herein“, konnte er nicht mehr sagen, schon stand sie in seinem Zimmerchen.

„Hallo Leo“… sie war schon ein besonders schickes Wespen-Mädchen. Und Leo erkannte seine Cousine Lara – und ihm war plötzlich gar nicht mehr unwohl. Er versuchte rasch, ein bisschen sein Zimmerchen aufzuräumen. Nur das Nötigste. Schrank auf, Spielsachen rein, Schrank zu. Das ging superfix.

Lara guckte sich derweil in seinem Zimmerchen um und baumelte mit ihren Beinchen in der Luft.

„Du bist aber ganz schön gewachsen, Lara“, sagte Leo. „Wir haben uns ja lange nicht gesehen.“

Lara lächelt und fragte dann besonders aufgeweckt: „Wollen wir etwas anstellen?“

„Klar“, antwortete Leo und überlegte, was sie anstellen könnten und sagte dann: „Ich weiß, was wir machen“ – und freute sich über seinen tollen Einfall.

„Tschü-hüß“, riefen sie von weitem und flogen los.

Leos Mama schmunzelte und sagte zu ihrer Schwester Leni: „Komisch, Leo ging es vorhin furchtbar schlecht… aber ich glaube, ihm tut der Besuch ganz gut. Es ist schön, dass ihr gekommen seid!“ Tante Leni stimmte zu und dann plauschten die beiden Schwestern weiter.

Liesel und Lotti haben ihre Cousine ja auch lange nicht mehr gesehen und so flogen sie einfach den beiden hinterher. Aber Leo und Lara haben schon einen ganz schönen Vorsprung. Wo sind sie wohl hingeflogen? Liesel und Lotti haben sie aus den Augen verloren.

Inzwischen flogen Leo und Lara über die duftendsten Blumenwiesen. Sie sind so schön bunt, das beeindruckt gewiss die Lara, denkt sich Leo und findet das alles toll.

„Hast du schon mal von dem Saft einer Blume gekostet? Also von dem Stängel meine ich“, fragte Leo.

„Nööö“, antwortete Lara und guckte Leo ganz neugierig an.

„Das ist irre lecker! Da unten ist eine solche Blume. Komm‘!“ und Leo flog voraus.

„Das ist die Blume?“, fragte Lara.

„Jaaa, aber sie gibt ihren leckeren Saft nicht einfach so her“. Leo guckt ganz verschwörerisch. Lara fand das alles sehr abenteuerlich und freute sich mit Leo.

„Pass auf, ich zeige es dir. Du musst mir aber helfen.“ Leo setzte sich an den Stängel und versuchte, ein kleines Löchlein dort hineinzubeißen. „Komm, mach mit, damit wir ein großes Loch machen können. Sonst passen wir nicht rein.“. Lara machte mit und so hatten sie ganz fix ein Loch gefuttert.

„Ich krabble rein und mache es dir vor“, sagte Leo zur Lara, die gerade noch fragen wollte, ob er da überhaupt reinpasst. Aber Leo hatte Hunger, er hatte ja schließlich auch nichts gegessen heute früh, und – blieb stecken.

„Ich hätte heute doch zu Hause bleiben sollen“, jammert Leo und Lara versucht, ihn wieder herauszuziehen. Mal an seinen Beinchen, mal am Popo. Aber sie ist zu zart. Sie schafft es nicht. Nur, was tun?

Inzwischen muss sich Leo eingestehen, dass er das nun gerade nicht gebrauchen kann. ‚So ein Mist!‘ Er wollte seiner Cousine etwas Tolles zeigen und dann sowas. Peinlicher geht es kaum. Am liebsten würde er sich wieder verkriechen, aber er versucht ja genau das Gegenteil und möchte aus dem engen Stängel kriechen.

„Leo, warte hier, ich hole Hilfe“, sagte Lara plötzlich und Leo dachte sich: ‚Sie macht Witze. Wo soll ich denn hin?‘

Auf der Suche nach Hilfe begegnen ihr Liesel und Lotti, die noch immer nach den beiden suchten. Lara erzählte, was passiert war und alle flogen zusammen zum Ort des Geschehens.

Lotti konnte es sich natürlich nicht verkneifen, lauthals zu lachen, als sie ihren Bruder mit seinen kleinen Beinchen in dieser misslichen Lage sah.

„Lotti, das macht man nicht. Dir hätte es genauso passieren können!“, sagte Liesel verständnislos.

„Ja“, antwortete Lotti und musste noch ein bisschen in sich hineinkichern.

Plötzlich gab Liesel das Kommando an: „Sooo, alle zusammen und mit vereinten Kräften: auf die Plätze – fertig – los! Und ziiiieehhheeen!!“

Bruch und Peng! Nun flogen alle vier Wespen samt der Blume, die nun abgebrochen war, im hohen Bogen auf die Wiese. Jeder rieb sich an einer anderen Körperstelle, die nun ein bisschen wehtat vom Aufprall.

Leo mochte jetzt doch nicht mehr vom Saft der Blume kosten, ihm ist der Appetit ordentlich vergangen – das war einfach zu viel heute.

Aber die Wespen-Mädchen hatten Hunger und Appetit und es auch verdient, den überaus leckeren Saft zu kosten. Und es schmeckte ihnen. Das konnte Leo deutlich hören.

„Aber Leo, hast du eigentlich vergessen, was Mama gesagt hat? Wir sollen niemals irgendwo reinkrabbeln! Das kann nämlich ein schlimmes Ende nehmen!“ Liesel guckte dabei zu ihrem Bruder und leckte sich die Fingerchen ab. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass der Saft mehr als lecker war. Aber das spielte ja keine Rolle… Leo hätte auf Mama hören sollen, denn sie weiß ja, was alles passieren kann. Ist der Saft der Blume auch noch so lecker. Allein hätte sich Leo niemals befreien können.

„Ich weiß, ich habe es ja auch nicht vergessen, aber der Saft ist so lecker…“. Leo guckte reumütig auf den Boden und auch zur Blume mit dem immer noch leckeren Saft.

„Diesmal ist ja noch mal alles gut gegangen, aber was wäre denn gewesen, wären wir nicht dagewesen?“, fragt Liesel.

„Ich weiß ja, dass das nicht in Ordnung war. Ich habe es kapiert!“ Leo hatte wohl selber keine Antwort darauf.

„Das glaube ich dir sogar. Du hast bestimmt viel Angst gehabt.“, antwortete Liesel und sie muss es wissen, denn sie ist die große Schwester.

„Ich glaube, ich mache das nicht noch mal“, sagte Leo zu den Dreien.

Als sich die vier zum Heimflug fertig machen wollten, musste Leo dann doch noch eine Kostprobe nehmen. Schließlich war das ein anstrengender Tag und er hatte noch nichts gegessen und nun überhaupt seinen Schock überwunden – zum Glück.

Und die drei Mädels sahen ihm schmunzelnd zu…

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