Leo liegt an einem schönen sonnigen Sonntag in seinem Bettelchen und seine Gedanken drehen sich um die Schule. Er hat es wirklich nicht leicht und das macht ihm arg zu schaffen. Normalerweise würde er mit Emil über Wiesen und Felder fliegen und nach Leckereien Ausschau halten. Aber heute ist er sehr nachdenklich. Liesel schlendert an seinem Zimmerchen vorbei und sieht, dass ihr sonst so aufgeweckter kleiner Bruder auf seinem Bettchen liegt und dass er sie gar nicht bemerkt, als sie zu ihm auf sein Bettchen plumpst. „Heee, was machst du denn da?“, fragt Leo ganz erschrocken. „Das wollte ich dich gerade fragen?!“, antwortete Liesel ein bisschen keck. „Ach…“, Leo winkt ab. „Das ist nicht so wichtig.“, sagt er schließlich. „Nicht so wichtig? Ich merke doch, dass etwas mit dir nicht stimmt. Also, was ist passiert? Haben dich die großen Jungs geärgert? Oder hat deine Lehrerin mit dir geschimpft?“. Liesel zwinkert mit ihren Äugelein, denn sie weiß ja, dass Leo seine Lehrerin sehr schick findet und dass es ihn sehr traurig machen würde, wenn sie mit ihm schimpfen würde – noch dazu vor allen Klassenkameraden. Das wäre sehr peinlich! „Neee, das ist es nicht“, druckst Leo herum.
„Na gut“, lenkt Liesel ein. „Magst du süßen Nektar naschen? Oder etwas anderes Leckeres haben?“, fragt sie ihn und steht von seinem Bettchen auf.
„Ach nee, lass` mal. Gib dir keine Mühe“. Leo ist wirklich nicht sehr redselig – und er hat so gar keinen Appetit… Das passt gar nicht zu ihm. Liesel macht sich nun doch Sorgen: „Aber nun sag` mir doch mal, was los ist. Ich bin deine große Schwester und ich sage – großes Hackepeter-Ehrenwort – niemanden etwas!!“.
Aber Leo mag nicht erzählen, was ihn bedrückt. Vielleicht weiß er es selber nicht? Vielleicht kommt es ihm aber auch nur zu blöd vor, seiner Schwester davon zu erzählen. Als sie wieder rausgehen wollte, kommt Lotti zur Tür hereingeschwebt. „Willst du wissen, was er hat?“, fragt Lotti die Liesel. „Lottiii!!“, jetzt setzt sich Leo in sein Bettchen und hält die Luft an.
„Jaaa“, antwortet Liesel vorsichtig und Lotti erzählt: „Leo hat Angst, dass er seine Aufgaben in der Schule nicht schafft und dass die anderen dann vielleicht lachen, wenn er etwas Falsches zum Lehrer sagt – naja, all sowas eben“.
„Ach Leo“ – seine Schwester Liesel dreht sich zu ihm um – und er atmet aus – puh – und guckt traurig auf seine kleine bunt-geblümte Bettdecke. Liesel kommt auf sein Bettchen zurück, diesmal lässt sie sich vorsichtig herab und nicht plumpsen und streichelt ihm über sein kleines Gesichtchen. „Sooo schlimm?“, fragt sie ihn vorsichtig. Leo dreht sich ein Stückchen weg und schaut aus dem Fensterchen. „Ich habe auch noch keine Schularbeiten gemacht. Ich kann das nicht!“, sagt er ein bisschen trotzig.
„Soll ich mal nachsehen, ob ich dir helfen kann?“, fragt Liesel weiterhin sehr vorsichtig. Sie möchte ja ganz behutsam zu ihrem kleinen Brüderchen sein. „Hmmm…“, so richtig einverstanden ist Leo damit nicht.
„Okay, wir machen eine kleine Denkaufgabe: wieviel sind 1 + 2?“, fragt Liesel etwas fröhlicher ihren Bruder und er überlegt und überlegt und ruft schließlich: „4!“. Liesel sieht Leo fragend an und will ihm schon mit ihren Fingerchen zeigen, wieviel nun 1 und 2 wären, aber da schiebt Leo ganz schnell hinterher: „Minus 1“ – und zwinkert Liesel zu. Da müssen beide lachen. „Das gäbe bestimmt einen Extrapunkt in der Schule für kreatives Rechnen“.
Nach einiger Zeit haben sich beide an die Hausaufgaben herangemacht und Liesel versucht, ihrem Bruder das eine oder andere zu erklären. Sie ist wirklich sehr lieb und sehr geduldig, aber schnell wird es Leo zu viel. „Ich kann in meinem kleinen Kopf nicht alles behalten. Mir fällt das gleich wieder raus!“, sagt er zur Liesel. „Du bist klug und talentiert, du weißt immer eine Antwort auf alles und alle mögen dich in der Schule. Und außerdem bist du die Klassenbeste.“, sagt er traurig. „Ach Leo, hast du eine Ahnung… ich muss doch trotzdem für die Schule lernen. Weißt du, es ist doch gar nicht so wichtig, ob du superschlau oder total talentiert bist. Das macht vielleicht manches leichter. Aber wenn du fleißig bist, kannst du vielleicht am Ende sogar auch der Beste in deiner Klasse werden. Und dann kannst du, wenn du willst, später einmal alles machen und sein. Aber du musst eben fleißig üben. Naja, und außerdem ist es viel cooler, wenn du geübt hast und dann eine gute Note bekommst. Wer nicht üben muss, der freut sich bestimmt gar nicht so sehr darüber wie du dich freuen würdest.“. Leo seufzt und lässt sein Köpfchen auf seine Händchen fallen, die auf der Tischplatte liegen. Lernen, üben, üben, lernen… das ist ja vielleicht öde. Da bleibt ja gar keine Zeit mehr für Emil. „Naja, es nützt nichts, Leo. Ich muss doch auch lernen. Und die Lotti auch. Mama musste früher auch viel lernen. Weißt du, wer vielleicht ganz schlau ist und ganz viel Talent hat, aber nicht übt oder herumträumt im Unterricht, weil er denkt, er kann schon alles, der verpasst gewiss den Anschluss.“ Liesel sieht ihren kleinen Bruder an und sagt: „Leo, und selbst wenn du nicht der Beste bist, das ist auch in Ordnung. Du bist ein toller Kerl und du wirst deinen Weg gehen. Da bin ich mir sicher.“ Liesel lächelt ihren Bruder an und streichelt über sein Ärmchen. „Es ist alles gut!“
„Hmm…“, seufzt Leo etwas unzufrieden. Er wollte etwas anderes hören, aber was? Er weiß es nicht… Plötzlich fällt ihm ein, dass er etwas braucht, das ihn motiviert, aber was? Vielleicht ist es ein Lob von der Lehrerin oder von der Mama, wenn er eine gute Note mit nach Hause bringt. Das wäre schon schön und so eine „1“ sieht ja viiiiiel schöner aus als eine „4“ oder „5“. Aber dafür muss er sich auf seinen kleinen Wespen-Popo setzen und üben. Das weiß Leo auch.
Lotti hat das alles natürlich mitbekommen und eigentlich geht es ihr ja im Grunde genauso wie Leo. Auch sie hat so ihre Schwierigkeiten in der Schule. Sie fliegt zu ihm hin und fragt ihn, ob sie nicht gemeinsam die Schularbeiten machen wollen. „Ja, okay. Wir können es ja versuchen“.
„Und zur Not könnt ihr mich fragen, ich bin ja nicht weit weg.“, sagt Liesel und schwuppdiwupp ist sie raus aus Leos Zimmerchen.
Leo und Lotti sehen sich die Hausaufgaben an und plötzlich weiß Leo, was er machen muss, er kann die Aufgaben lösen und es sogar Lotti erklären. Das freut ihn sehr. „Hach, sehr cool!“ – freudestrahlend schlägt er sein Schulbuch am Ende der Hausaufgaben wieder zu.
Am nächsten Tag in der Schule müssen einige Schüler ihre Schularbeiten erklären und bekommen Noten darauf. Lotti ist auch mit an der Reihe. Sie hatte ja mit Leo zusammen die Aufgaben gemacht und kann alles gut erklären, weil sie ihre Aufgaben verstanden hat. Die Lehrerin freut sich sehr und Lotti bekommt eine sehr gute Note. Sie freut sich und schaut zum Leo rüber. Eigentlich hätte er diese tolle Note bekommen müssen, denn er hat ihr ja geholfen und alles so wunderbar erklärt. Dieses Mal war er aber nicht an der Reihe und trotzdem ist er nicht traurig – weil Lotti sich so freut und das freut ihn gleich mit. Ganz bestimmt freut sich Leo auch, weil er die Aufgaben verstanden und richtige Lösungen gefunden hat – und das ist ja mindestens genauso wichtig wie eine „1“ zu bekommen. Eigentlich hat er auch eine „1“ bekommen – wenn auch nur in Gedanken. Ganz bestimmt fällt Leo die Schule nun ein bisschen leichter. Ein großes Erfolgserlebnis hat er ja nun gehabt.
So schwebt er mit seiner Schwester Lotti vergnügt nach Hause und Lotti erzählt ihrer Mama und auch der Liesel, was in der Schule Tolles passiert ist. Lotti verrät auch, dass Leo die Aufgaben lösen konnte und sie nun aber die tolle Note bekommen hat. „Ich bin mir sicher, dass Leo dir die Zensur von Herzen gönnt. Wichtig ist, Lotti, dass du die Aufgaben und Lösungen verstanden hast!“.
„Jaaa, ich denke schon“, flötete Lotti fröhlich und verschwand in ihrem Zimmerchen. Und Leo? Er sackt zufrieden auf sein Bettchen. „Heute war ein schöner Tag“, sagt er sich freudestrahlend. „Und ich weiß, dass ich es schaffen kann! Ich muss nur fleißig üben.“
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