Aufgepasst im Unterricht: Bestäuben will auch für Wespen gelernt sein

Leo und Lotti erzählen beim Abendessen ihrer Mama und der Liesel, dass sie morgen in der Schule lernen, wie sie Blüten bestäuben. Lotti freut sich schon sehr darauf, denn sie hat gehört, dass das eine sehr wichtige Aufgabe im Kreislauf des Lebens ist. Aber Leo versteht das nicht so richtig und er weiß auch nicht so recht, ob er darauf überhaupt Lust hat. „Blüten bestäuben… hach, das können doch die Bienen machen. Sie sind doch sowieso die Helden…“, meint er fast ein bisschen bockig.
„Nein, mein Schatz, nicht nur die Bienen oder Hummeln machen das, sondern alle Wesen unserer Art.
Passt morgen also gut auf – alle beide!“, erklärt die Mama und sieht Leo besonders eindringlich an.
„Warum guckst du mich so an?!“, fragt Leo scheinbar ganz unschuldig seine Mama.
„Das weißt du genau, mein kleiner Schatz“, antwortet sie und streichelt ihm über sein Köpfchen.

Am nächsten Tag begrüßt die Lehrerin ihre kleinen Schützlinge und sagt: „Kinder, heute möchte ich euch erklären, wie wir Blüten bestäuben.“ Sie öffnet das kleine Fensterlein und die Sonne scheint ins kleine Klassenzimmer. Auch sind viele Vögelchen zu hören, ein fröhlich zwitscherndes Durcheinander.

„So Kinder. Ihr habt gewiss bei euren Ausflügen mit euren Familien bemerkt, dass die Blumen sehr unterschiedlich sind. Weiß denn jemand, warum das so ist?“
Die Wespenkinder schütteln mit ihren Köpfchen.
„Ich werde es euch erklären: Manche Blüten haben so kleine Pollen, andere wiederum duften ganz doll und sind süß und flüssig. Und das hat folgenden Grund:“. Schon beinahe beschwörend öffnet die Lehrerin die Doppel-Tafel und da sind Zeichnungen von Blüten zu sehen. Sie sehen wirklich sehr unterschiedlich aus. Mit ihrem kleinen Zeigestock erklärt die Lehrerin weiter: „Wisst ihr, solche Blüten haben kein Zuhause wie ihr. Mädchen und Jungen wohnen ein bisschen auseinander, aber irgendwie müssen sie zusammenkommen, damit wir alle leckere Früchte futtern können und es Nachwuchs gibt. Die Blüten brauchen also Hilfe. Und jetzt wird es interessant, denn wir kommen ins Spiel. Und die Bienen, Hornissen und Hummeln und auch der Wind.“ Mit ihrem Zeigestock zeigt sie auf eine der Blüten und erklärt weiter: „Wir transportieren den Blütenstaub, also die kleinen Pollen, von der Jungs-Blüte und fliegen damit zu einer anderen, nämlich zu der Mädchen-Blüte und geben ihr genau hier mitten in die Mitte diesen Blütenstaub“, die Lehrerin deutet auf das kleine Fruchtstempelchen und setzt ihren Satz fort: „Sie wartet nicht nur auf euren Besuch, sie freut sich sogar darauf, denn nun kann sie das tun, wofür sie geschaffen wurde, nämlich eine Frucht bauen. Außerdem bekommt ihr für diesen Lieferdienst ein kleines Dankeschön und das ist ihr süßer Nektar. Der ist es auch, der uns so anlockt. Sie ist nämlich ganz schön schlau, die Blüte. Und das alles machen wir bei Wind und Regen und nicht nur bei schönem Wetter.“
„Und was macht der Wind?“, möchte ein Schüler wissen.
„Der Wind trägt den Samen von allen Blumen in die Welt, aber vor allem von den Blüten, die zu klein für uns sind, in die wir also nicht hineinkommen. Oder auch von jenen, die wir nicht so toll finden. Aber wir machen es ein bisschen genauer als der Wind, denn die Mädchen-Blüte lockt uns ja mit ihrem Nektar an. Mutter Natur hat für alle ihre Schützlinge einen Weg gefunden, damit ihre Art erhalten bleibt. Auch kleine Vierbeiner wie Eichhörnchen tragen Früchte weiter, vergraben sie, damit sie im kalten Winter Futter haben, aber manchmal vergessen die kleinen flinken Wesen, wo sie es verbuddelt haben und dann wächst ein neuer Baum heraus.“

Die Wespenkinder staunen und ein Raunen geht durch die kleinen Bankreihen. Plötzlich fragt Leo: „Aber warum sollen wir denn das machen? Wir können ja auch gleich zu der Mädchen-Blume fliegen?“, fragt Leo. Daraufhin schaut die Lehrerin den kleinen Leo tief in seine Äugelein und sagt: „Leo, wir alle haben eine Aufgabe zu erfüllen, jeder von uns ist wichtig, weil es sonst keine Früchte gibt. Und wir alle brauchen Früchte, du kleines Früchtlein! Die Geflügelten, die Vierbeiner und die Zweibeiner.“ Leo wird plötzlich ganz rot. Er wollte es sich wohl ein bisschen leichter machen. Die Lehrerin guckt wieder in die Klasse und sagt weiter: „Wisst ihr, wir alle sind sehr wichtig! Wir bestäuben die Mädchen-Blüten, damit daraus Früchte werden. Und aus den Kernen der Früchte werden neue Pflanzen oder Bäume. Und so geht das immer weiter und weiter. Ein ewiger Kreis. Und ihr seid dafür superwichtig. Sonst würde alles eines Tages zu Ende gehen.“
Lotti steht plötzlich auf und ruft:
„Nichts wird zu Ende gehen, solange es uns alle gibt und wir fleißig sind!“ Lotti ist ganz erschrocken über sich selbst und ihren Mut. Es ist wohl ihr Ernst.
„Ja, da hast du recht, kleine Lotti.“
Lächelnd mit einem kleinen Seufzer guckt die Lehrerin aus dem Fensterchen.
„Und was wird dann?“, fragt Leo.
„Was meinst du?“, möchte die Lehrerin wissen.
„Na mit den Blüten? Wenn kein Nektar mehr da ist.“ Leo will es nun doch ganz genau wissen.
„Der Nektar wird immer wieder neu hergestellt. Irgendwann verblüht aber die Blüte und fällt ab. Und selbst dann dient sie anderen Krabbeltieren auf dem Boden als Nahrung. So haben viele Lebewesen etwas von einer Blume oder einem Blatt. Im nächsten Frühjahr aber werden aus den Samen neue Blüten. So schließt sich der Kreis.“ Die Lehrerin atmet zufrieden durch und dann klingelt es auch schon zur Pause.

Am nächsten Tag fliegen unsere Helden von Blüte zu Blüte. Aber nicht mehr einfach so, sondern jetzt wissen sie ja, welche die Jungs- und welche die Mädchen-Blüte ist und sie erfreuen sich, weil sie nun wissen, dass sie für den unendlichen Kreis des Lebens eine sehr wichtige Rolle spielen.

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