„Hee, wach auf!“ Leo ruckelt an Liesel, die noch schläft. „Ich muss dir was zeigen! Du wirst staunen, echt!“
Liesel reibt sich die Äugelein. „Was ist los?“, fragt sie verschlafen und gähnt.
„Komm, das musst du dir ansehen!“, Leo zieht seiner Schwester die Bettdecke weg. Er nimmt sie an die Hand und sie laufen rasch zum Küchenfensterchen.
„Was ist das?“, möchte Leo von Liesel wissen.
„Keine Ahnung. Aber toll sehen sie aus. Und sie glänzen so schön in der Sonne“, stellt Liesel fest.
Kurze Zeit später kommen Lotti und die Mama hinzu.
„Wisst ihr, was das sein soll?“, fragen Liesel und Leo. „Da müsst ihr mal ein bisschen Platz machen, damit ich etwas sehen kann.“ spricht die Mama, setzt sich ihre kluge Brille auf und sagt schon beinahe geheimnisvoll: „Das, meine lieben Kinder, nennen die Zweibeiner Pferde – habe ich mal so gehört.“
„Ahh, und wozu dienen solche Pferde?“, fragt Leo, während er ganz gebannt auf eines der schwarzen großen Tiere starrt.
„Die Zweibeiner setzen sich auf ihren Rücken und dann zischen sie ab im Sausewind“, erklärt die Mama.
„Im Sausewind. Ist ja lustig.“, Lotti stellt es sich wohl gerade vor und kichert.
„Und sonst nichts? Oder kann man mit denen noch etwas anderes machen?“, fragt Liesel neugierig.
„Na klar. Manchmal sieht man sie vor so einem komischen Gefährt und dann können viele Zweibeiner mitgenommen werden. Aber bestimmt kann man noch andere Sachen mit ihnen machen.“ Die Mama macht eine kleine Pause und stellt nun ebenfalls fest: „Aber schön sehen sie aus – und wie die sich bewegen.“
Plötzlich hat Leo eine geniale Idee. „Du Liesel, wollen wir sie uns aus der Nähe ansehen?“, fragt er und stößt Liesel ein bisschen an ihrem Ärmchen an. „Klar, von mir aus…“.
„Dürfen wir…?“, fragen sie ihre Mama und weil sie nichts dagegen hat, fliegen Liesel, Leo und Lotti los und sind auch schon gleich bei einem der schönen Pferde angekommen. Die Landung auf einen der Pferdepopos war geglückt – sie schauen sich um und staunen über die vielen schönen Tiere, die schnaubende Geräusche von sich geben und mit ihren großen Köpfen schütteln.
„Guckt mal, sie haben Junge. Himmel, und die sind jetzt schon so groß.“, stellt Liesel fest. In diesem Moment wedelt das Pferd mit seinem Schweif und trifft Leo, der auch sogleich zu Boden fällt.
„Ach herrje…, Leo??“, Liesel und Lotti fliegen hinterher.
„Oh Mann, sind die gewaltig“ – Lotti guckt vom Boden zu dem Pferd hinauf. „Das geht ja bis zum Himmel hoch!“ Lotti verleiert ihre Äugelein und wird ohnmächtig. Liesel kümmert sich gerade noch um ihren Bruder Leo, der sich an seinem Köpfchen wehgetan hat, als sie sieht, dass Lotti im hohen Gras liegt. In nächsten Moment setzt das Pferd einen Schritt nach vorn – Liesel sieht einen großen Schatten über sich – und plötzlich wird es dunkel. Ganz dunkel. Sie liegt neben ihrem Bruder – unter einem Pferdehuf. Was nun? Zum Glück ist der Boden weich…
Leo kommt wieder zu sich und sieht schwarz. „Liesel? Lotti?“, ruft er aufgeregt.
„Ich glaube, wir sind unter dem Pferd“, sagt Liesel etwas ängstlich.
„Und nun? Wie sollen wir denn wieder wegkommen von hier?“, jammert Leo.
„Ach, ich kann versuchen, das Pferdchen zu pieksen“, fällt Liesel ein.
„Wozu soll das gut sein?“, will Leo wissen.
„Na, damit es weitergeht“, antwortet Liesel – und das Pieksen war genau das Richtige: das Pferd nimmt seinen Huf in die Luft.
„Haaach, siehst du, Leo, so befreit man sich aus einer schwierigen Lage“, Liesel guckt sich um. „Leo? Leeeeooo??“
„Hier bin ich!“, schreit er. Leo hat sich in dem Huf verheddert. Zum Glück hängt der Huf in der Luft, denn das Pferd versucht, seinen Besucher loszuwerden und leckt mit seiner großen langen Zunge an seinem Huf.
„Ich kann gar nicht hinsehen“, schreit Leo weiter als die Zunge auf ihn zukam.
„Lass los, Leo!“, ruft Liesel.
„Ja, lass los!“, ruft es nun auch aus einer anderen Ecke – Lotti war wieder mit dabei.
„Ich kann nicht!“, schreit Leo und duckt sich.
„Das ist doch sonst mein Spruch, Leo“, stellt Lotti fest. „Der futtert dich mit Flügeln und Fühlern! Also lass endlich los!“, brüllt ihn Lotti an.
„Oder wir müssen das Pferd in den Popo pieksen, damit es Leo loslässt“, sagt Lotti etwas leiser und sieht zur Liesel.
„Das nützt nichts. Leo hat sich verheddert. Das Pferd will ihn ja loswerden. Nee, nee. Er muss loslassen – und das möglichst bald“.
„Ich koooommmeee!!!“ In diesem Augenblick purzelt Leo wieder ins Gras.
„Na super, geht doch!“, Liesel klatscht vor Freude in die Hände.
„Das war ja vielleicht ein Schreck“, stellt Leo fest und reibt sich sein Köpfchen. „Wir hätten lieber nicht herkommen sollen“.
„Los, wir müssen weg von hier, das ist zu gefährlich für uns.“, fordert Liesel ihre Geschwister auf und alle drei fliegen auf den nächsten Baum.
„Aber schön sind sie trotzdem. Ein bisschen gefährlich, aber schön.“, Leo hat sich von diesem Schreck nun erholt.
Von dem Baum aus können sie aber die grasenden Pferde mit ihren Jungen, die so lustig über die Wiese springen, beobachten – und sie hören das Wiehern. Es ist eine vollkommen neue Sprache für die Ohren von Liesel, Lotti und Leo.
Die Geschichte – Liesel, Leo und Lotti und die besonders schönen Tiere – als .pdf downloaden.