Unsere Wespen-Familie wohnt gut geschützt unter einem alten Dach von einem genauso alten Haus. Ihr Nest ist ganz aus Holz und rund. Das ist es von allen Wespen-Familien, die hier wohnen. Und es sind ganz schön viele. Ein Gewimmel und Gesumme ist das jeden Tag… Da kann man als kleine Wespe froh sein, sein eigenes Zimmerchen zu haben.
Heute bekommt Leo Besuch von seinem Kumpel Emil aus der Nachbarschaft. Er ist, wie Leo, ein bisschen rund und knuffig und hat hier und da ein Knicks in seinen Fühlern. Manchmal ist er auch ein bisschen unvorsichtig und stürzt schon auch mal ab. Und dann gibt es eben einen Knicks in den Fühlern. Schön sieht das vielleicht nicht aus, aber es gehört zu Emil, wie seine Fühler und Beinchen. Dann versucht seine Mama, die Fühler wieder ein bisschen geradezubiegen, denn sonst sieht der kleine Wespen-Mann ja nichts. Außerdem braucht er die Fühler zum Tasten. Die müssen schon ordentlich funktionieren. Aber sonst ist Emil sehr liebenswert und die beiden können sich wirklich gut leiden. Sie kennen sich schließlich schon von ihrem Schlupf an.
Leo holt Emil am Eingang ab. Sie verabredeten sich zum Flug über Wald und Flur. Vielleicht gibt es ja noch kleine Leckerbissen unterwegs. Der Tag war herrlich sonnig und lud zu einem Ausflug ein. Also zogen die beiden los, machten ihre Späße in der Luft und schielten auf die Gartentische der Zweibeiner. Leo und Emil sind sehr neugierige Wespen-Jungs, die alles, was sie zu beißen kriegen, auch probieren müssen. Zumindest fast alles. Vielleicht kann man ja auf diese Weise den Speiseplan erweitern, wenn es denn überhaupt schmeckt.
„Hey, guck mal, da ist keiner. Da könnten wir doch mal gucken. Vielleicht gibt es etwas für uns?“, sagte Emil und Leo war sich sicher: „Da finden wir etwas!“.
Sie kreisten über dem Tisch und verschafften sich erst mal einen Überblick.
„Mir ist es lieber, wenn keiner von den Zweibeinern da ist. Die fuchteln so furchtbar mit den Händen und kreischen. Oder hauen nach uns. Dabei wollen wir gar nichts von denen. Papa sagte mal, dass es doch gar nicht so schwer wäre, ein kleines Tellerchen am Rande mit etwas Leckerei für uns hinzustellen. Wir wollen doch auch bloß mal kosten, aber nee…“, sagte Emil und schüttelte sein Köpfchen.
„Ja, ich weiß“, antwortete Leo. „Meinen Onkel hatte es beinahe ganz böse erwischt, wir konnten gerade noch Reißaus nehmen. Sonst wäre… – ich darf gar nicht daran denken…“.
Da entdeckte Emil einen Kuchen und riss damit Leo aus seinen Gedanken. „Das wäre doch etwas“, sagte Emil – und sie steuerten die süße Leckerei an.
„Schmeckt dir sowas? Mir nicht so. Ich mag ja am liebsten tote Fliegen oder Würmer oder auch Hackepeter.“, sagte Leo. Emil probierte aber von dem Kuchen und musste über Leo lachen, der ihn skeptisch beäugte. „Komm‘, probier´ wenigstens mal. Der ist echt klasse.“ „Nee, nee, lass mal…“, gab Leo zur Antwort und winkte ab. Nach einer kleinen Weile kam doch ein kleines Pfützlein auf Leos Zunge und er probierte nun ebenfalls von dem Kuchen. „Jaa, das schmeckt wirklich gut. Hätte ich nicht gedacht“, gab Leo zu und ließ es sich schmecken.
Als die beiden ihre Bäuche gefüllt hatten, machten sie sich auf den Heimweg. Die Sonne schien noch immer heiß und der volle Bauch machte den Flug nicht gerade leichter.
„Das süße Dingens war wirklich nicht schlecht. Aber irgendwie wird mir ein bisschen komisch im Kopf.“, fing Leo an.
Emil hingegen drehte Pirouetten und musste kichern. „Wie komisch im Kopf?“, wollte er von Leo wissen.
„Hihi“, kicherte nun auch Leo und fragte: „Hab ich das gesagt? Blöd-, upps, Blödsinn… Hicks…“.
Die beiden Jungs hatten ja vom Kuchen genascht. Und der hatte nicht nur ganz viel Zucker, sondern auch eine ganz schöne Portion Alkohol. Für kleine Wespen ist das natürlich gar nichts, weil sie den Alkohol nun intus haben – quasi Wespe mit Schwips.
In ihrem Zustand flogen sie nun Schlangenlinien und landeten mehr schlecht als recht bei ihrem Zuhause. Besser gesagt, sie versuchten, den Eingang zu treffen. Sie kicherten ziemlich laut, was auch den anderen Wespen auffiel und sie neugierig machte. Liesel und Lotti erkannten natürlich die beiden und versuchten, sie ins Nest zu ziehen – halb geschoben, halb gezogen. Leo und Emil waren mittlerweile zum Unterhaltungsprogramm der ganzen Nachbarschaft geworden, was den beiden Schwestern gar nicht gefiel.
Als die beiden Wespen-Jungs nun endlich im Nest waren, konnten sie sich die Bäuche vor lauter Lachen kaum halten.
Leo hängt ein Beinchen über die Schulter seiner Schwester Lotti und sagt ihr kichernd: „Du bist die schönste Schwester, die ich habe – hicks…“. Lotti sah Leo sehr verständnislos und kopfschüttelnd an: „Du bist ja vollkommen beschwipst, Leo!“.
„Sooo? Finde ich gaaar nisch“, antwortete Leo und kriegte sich kaum ein vor Lachen.
Und wo ist Emil abgeblieben? Nach seinem Kicheranfall blieb er einfach liegen und schlief ein. Und schnarchte.
„Das ist ja nicht zum Aushalten“, schimpfte Liesel. „Leo, euch kann man echt nicht allein lassen. Nur Blödsinn habt ihr im Kopf! Was habt ihr nur gefuttert?“. Das hörte Leo aber auch schon nicht mehr. Er ist einfach an Lottis Arm eingeschlafen und runtergerutscht. Die beiden Schwestern waren aber sehr lieb und trugen ihn in sein Bettelchen.
„Oh je, ist der aber schwer“, sagte Lotti.
„Geeeschafft! Morgen werden die zwei bestimmt dolle Kopfschmerzen haben“, sagte Liesel – und beide mussten dann doch über die zwei angeschwipsten Wespen-Jungs lachen.
Zwei betrunkene Wespen hat dieses Haus wohl auch noch nicht gesehen – und die anderen gestreiften Bewohner werden bestimmt noch lange über die zwei reden – unter dem alten Dach in dem alten Haus.
Die Geschichte – Leo und Emil und ihr Ausflug auf den Gartentisch – als .pdf downloaden.