„Habt ihr die Liesel gesehen?“ Liesels Mama sucht in allen kleinen Zimmerchen. Wo ist nur das Kind geblieben?
„Keine Ahnung! Ich habe sie auch noch nicht gesehen!“ Leo zuckt mit seinen kleinen Schultern. „Auweia…“, Lotti hält sich vor Schreck den Mund zu.
„Ihr zwei fliegt los und sucht nach ihr! So weit weg kann sie ja gar nicht sein. Nicht, dass sie sich in einer schlimmen Lage befindet.“ Die Mama schickt die beiden los.
„Ach, können wir Emil mitnehmen? 6 Augen sehen mehr als 4!“, fällt Lotti ein und die Mama gibt ihr Okay. „Aber fragt Emils Mama, ob er mitdarf!“
Gesagt, getan. Nachdem Emils Mama ihre Zustimmung gab, machten sich die 3 auf den Flug. Unterwegs begegneten sie Hummeln und Bienen und auch anderen Wespen und die 3 fragten die Vorbeifliegenden, ob nicht irgendwer die große Schwester Liesel gesehen hätte. Liesel ist sehr bekannt in ihrer Gegend und überaus beliebt, daher weiß ein Jeder Bescheid. Auf sie ist Verlass. Sie würde nie etwas Gefährliches tun.
„Viel Glück beim Suchen!“, ruft die Biene und eine alte Hummel brummelt: „Ihr werdet sie schon finden. Da bin ich mir sicher. Liesel passt doch auf sich auf. Sie macht keinen Unsinn. Irgendwo wird sie bestimmt übernachtet haben. Wer weiß… es wird sich alles aufklären! Glaubt mir! Ich bin alt und weise und kenne mich ein bisschen aus!“
„Oh hoffentlich haben Sie Recht, Frau Hummel!“. Leo wird es ein bisschen mulmig zumute. Weit und breit keine Liesel und keiner kann helfen. Die 3 landen auf einem Blumenfeld und beratschlagen, was denn nun zu tun sei.
„Leo, wir werden sie finden. Frau Hummel hat es doch gesagt. Wir sollten ein bisschen vertrauen.“, Lotti streichelt ihrem Bruder über das Ärmchen. „Komm, wir sollten keine Zeit verlieren!“
„Was ist, wenn sie aber schon wieder zu Hause ist und wir suchen hier wie verrückt?“, fällt Emil plötzlich ein.
„Hm, da ist was dran…“, Leo reibt sich unter seinem Kinn und schaut in den Himmel.
„Ach Quatsch, wir fliegen jetzt nicht nach Hause, um zu sehen, dass sie noch nicht da ist. Also ich jedenfalls nicht!“ Lotti setzt zum Weiterflug an.
„Warte, wir kommen doch mit! Nicht, dass du auch noch verloren gehst…!“ Leo weiß nicht, ob er nicht ein bisschen grinsen muss, denn er kennt ja seine Schwester Lotti und weiß, dass bei ihr auch nicht immer alles gut und gerade läuft. Außerdem müssen sie zusammenhalten und aufeinander aufpassen. Dafür sind ja Geschwister und auch Freunde da.
An einem anderen Ort zur gleichen Zeit: Susann und René bauen den Sonnenschirm ab. Es ist Herbst und der Schirm soll in den Keller verschwinden, bis zum nächsten Frühjahr. Auf einmal purzelt da etwas heraus und liegt nun ganz benommen und durcheinander auf dem Balkontisch. Ihr ahnt bestimmt schon, wer sich im Sonnenschirm verfangen hat: richtig – die Liesel. Sie war wirklich etwas taumelig auf ihren Beinchen. Aber Susann hat natürlich den Ernst der Lage erkannt und sie mit einem kleinen Tüchlein vorsichtig auf eine der Balkonpflanzen gesetzt. Dort purzelte Liesel recht schnell auf den Boden. Sie ist ein bisschen schwach.
„Was denkst du, wird sich Liesel erholen?“, fragt Susann ihren Freund René.
„Na klar! Sie ist stark, sie schafft das! Sie ist in ihrer natürlichen Umgebung und kann bestimmt vom Blütennektar naschen, damit sie zu Kräften kommt! Das wird schon! Ein bisschen müssen wir vertrauen“, spricht René – und er ist auch schon recht weise.
Unsere 3 fliegen unterdessen und suchen weiter: „So, dort drüben ist unser Hackepeter-Balkon. Wir sollten dort mal nachsehen“, meint Lotti und zeigt auf jenen Balkon.
„Was? Einen Hackepeter-Balkon habt ihr? Das ist ja abgefahren! Sowas habe ich nicht!“, wirft Emil anerkennend ein.
„Du kannst ja mal mitkommen. Dort gibt es leckeren Hackepeter. Extra für uns!“, Lotti wippt mit ihrem Köpfchen und ist fast schon ein bisschen stolz auf diese Nahrungsquelle.
„Ihr wollt mit mir euren Hackepeter teilen? Da bleibt doch weniger für euch?!“, erwidert Emil. Das kennt er so noch nicht. Die meisten behalten ihre Nahrungsquellen, besonders solche, für sich, damit sie nicht teilen müssen. Aber bei Liesels Familie ist das wohl anders. Und das ist auch gut und richtig so.
„Ich fühle mich gleich ein bisschen beglückt, weil ich dir davon erzählt habe, Emil“, freut sich Lotti – und sie weiß, dass Teilen Spaß macht.
„Wir sollten ja aber jetzt wirklich eilen, damit wir nachschauen, ob Liesel hier irgendwo steckt“, mahnt Leo und so landen die 3 auf einem der Balkonkästen mit der noch immer üppigen Blütenpracht.
Leo hält Ausschau nach Mädchen-Blüten, die mit ihrem süßen Nektar die kleine geflügelte Tierwelt anlockt.
„Leo, du brauchst gar nicht so zu gucken, wir müssen Liesel finden!“. Lotti zerrt ein bisschen an Leos Ärmchen.
„Lotti? Leo? Ich bin hier!!“, etwas kläglich ruft Liesel nach ihren Geschwistern, die sie bereits gehört hat.
„Wo, wo bist du?“ – die 3 suchen nach Liesel, aber sie können sie nicht finden.
„Na hier, hier unten!“, antwortet Liesel. Sie sitzt gut geschützt auf dem Erdboden des Balkonkastens, die rosafarbenen Blüten haben sie zugedeckt – wie ein kleines Dach.
„Ach hier bist du! Was in aller Welt ist denn passiert? Wir haben uns dolle Gedanken gemacht, Liesel“. Lotti sieht ihre große Schwester an.
„Das weiß ich doch. Ich habe mich in diesem großen Dingens verheddert!“. Langsam kommt Liesel wieder auf ihre Beinchen.
„Welches große Dingens? Ich sehe nichts! Du bist ein bisschen verwirrt, Schwesterherz!“, Leo muss grinsen, aber er weiß auch, dass Liesel niemals schwindeln oder sich Unsinn ausdenken würde.
„Ja, ehrlich! Das große grüne Monstrum, das sie bei Sonne immer ganz groß aufmachen. Was weiß ich, wie das heißt!“. Liesel war nun ein bisschen traurig, weil sie denkt, dass die 3 ihr nicht glauben wollen.
„Ich glaube dir, Liesel! Und der Emil auch – nicht wahr Emil?“, spricht Lotti und hilft ihrer Schwester auf. „Komm, wir fliegen nach Hause“, setzt Lotti ihren Satz fort.
„Ja, aber nicht, ohne vorher noch den Blüten ein bisschen zu helfen! Wir suchen uns Jungs-Blüten und nehmen den Pollen mit fliegen damit zu einer Mädchen-Blüte – und den Nektar nehmen wir mit nach Hause“. Liesel ist wieder ganz fit und alle 4 fliegen gemeinsam los, bestäuben und bekommen süßen Nektar zum Dank.
Und so neigt sich ein aufregender Tag dem Ende – einem schönen Ende.
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