Wo ist die Leiche?
Als Amanda zu Hause angekommen ist, ist ihre Familie wieder da. Sie erzählt ihrem Mann von der Befragung und dass die Ermittler davon ausgehen, dass Sabine ein furchtbares Unglück zugestoßen sein muss.
Ihr Mann hört ihr aufmerksam zu und nickt nachdenklich, ohne etwas zu sagen.
Kurze Zeit später klingelt es, Herr Beyer steht mit einem Kollegen vor der Wohnungstür.
„Oh, habe ich etwas vergessen?“ fragt Amanda erschrocken.
„Nein.“ antwortet Herr Beyer. „Dürfen wir reinkommen?“ fragt er weiter.
„Aber natürlich“, Amanda öffnet die Tür und lässt die beiden Herren herein.
„Wer ist da, Schatz?“ fragt ihr Mann aus dem Hintergrund.
„Die Polizei…“ ruft sie zurück.
„Das blaue Auto vor Ihrer Tür – gehört das Ihrem Mann?“, fragt Herr Beyer.
„Ja. Aber kommen Sie doch rein!“ Amanda führt die Herren in das Wohnzimmer, wo sich auch ihr Mann und die Kinder samt der kleinen Katze aufhalten.
„Ja. Das Auto gehört mir!“ antwortet er. „Warum fragen Sie?“
„Wir würden gerne wissen, in welcher Beziehung Sie zu Frau Swoboda stehen“, fragt Herr Beyer Amandas Gatten.
„Wie meinen Sie das?“ mischt sich Amanda ein.
„Ihr Mann kann uns gewiss sagen, was an jenem Abend passiert ist, als Frau Swoboda verschwand.“
„Ich? Ich war zu Hause. Ehrlich!“ und sieht Amanda eindringlich an.
Tief durchatmend fragt er den Beamten:
„Wie kommen Sie auf mein Auto?“
Der Blickkontakt zwischen Amanda und ihrem Mann bleibt auch den Ermittlern nicht verborgen. „Wir haben nochmals in der Nachbarschaft gefragt, ob jemand irgendetwas bemerkt hat – Besuche und dergleichen – und so wurde uns von einem blauen Auto Ihrer Marke erzählt, das gelegentlich vor Frau Swobodas Haus stand. Wie lange ging das zwischen Ihnen und Frau Swoboda?“
Mit gerötetem Gesicht antwortet er: „Ach, nicht lange. Ich bin verheiratet und habe ihr auch gesagt, dass ich Amanda und die Kinder nicht verlassen werde!“ antwortet er.
„Das fällt Ihnen aber zeitig ein! Offenbar hat sich Frau Swoboda dennoch Hoffnung gemacht?! Warum? Haben Sie sie angelogen?“ fragt er den Ehegatten.
„Neeeein! Was weiß ich?! Es tut mir leid, wenn sie sich Hoffnung gemacht hat“ antwortet er schulterzuckend mit den Händen in den Hosentaschen.
„Hat Frau Swoboda wegen Ihnen Ihren Mann verlassen?“ möchte der Kommissar wissen.
„Ja…, aber das wollte ich doch gar nicht…!“ entgegnet der Ehemann.
„Was wollten Sie dann? Eine kleine Liasion zwischenrein??“ fragt Herr Beyer kopfschüttelnd und wendet sich nun seufzend Amanda zu.
„Sie wussten von der Affäre Ihres Mannes, aber nicht, dass es ausgerechnet Ihre Freundin ist. Habe ich recht?“
„Ja“, flüstert Amanda.
„Was ist dann passiert? “ fragt der Beamte.
So beginnt Amanda zu erzählen.
„Als ich ihm eines Nachmittags nachfuhr, um zu sehen, wohin er fährt, habe ich es gesehen…“
„Aber warum hast du nichts gesagt?“ fragt er entsetzt seine Frau.
„Ich? Du hättest mir sagen müssen, dass du jemanden kennengelernt hast und…“ Amandas Worte ersticken in Tränen.
„Und?“, fragt der Ermittler mit geradezu verständnisvollem Blick.
„…mich – uns – verlassen wolltest für Sabine.“ Amanda wischt sich trotzig die Tränen vom Gesicht und fragt den Beamten etwas nüchterner: „Aber woher wussten Sie, dass das Auto zu meinem Mann gehört?“
„Das haben wir vorhin recherchiert. Als Sie nämlich von Ihrem Besuch seinerzeit bei Ihrer Freundin erzählten, haben wir uns gedacht, dass wir Ihren Mann unter die Lupe nehmen. Irgendwo musste es eine Gemeinsamkeit, eine Verbindung, geben. Und die haben wir ja nun…“
Amanda blickt betrübt auf den Boden und dann zu ihren Kindern – sie haben all das mit anhören müssen. Den erschreckenden Ausdruck in ihren Geschichten kann man sich vorstellen…
„ Möchten Sie uns nicht erzählen, was an diesem unglückseligen Tag passiert ist?“ setzt Herr Beyer fort.
Amanda schüttelt mit dem Kopf. Zu schlimm sind die Erinnerungen…
„Nun, dann sage ich Ihnen, wie es passiert ist und Sie unterbrechen mich, sobald ich falsch liege: Sie haben an jenem Mittwoch Ihre Freundin angerufen und sie zu einem Gespräch gebeten. Sie haben ihr offenbart, dass Sie von der – nun ja – Affaire d‘amour wissen“, Herr Beyer läuft ein wenig umher und bemerkt: „Der Treff war sicher an der Landstraße, da sich dort ihre Spur verliert.“ Amanda nickt mit gesenktem Blick. Herr Beyer setzt seine Ausführung fort: „Daraufhin ist Ihre Freundin quasi losgestürzt und zu Ihnen an der Landstraße ins Auto gestiegen. Richtig?“
„Ja. Ich habe ihr gesagt, dass ich oben an der Kreuzung auf sie warte. Ich wollte nicht zu ihr nach Hause.“
„Und weiter? Warum ist die Situation aus dem Ruder gelaufen?“ Herr Beyer wirkt sehr verständnisvoll.
Amandas Mann glaubt unterdessen nicht, was er zu hören bekommt: „Ich bin ein Stück mit ihr gefahren, nicht weit. Dann sind wir ein bisschen gelaufen, am Feld. Ich wollte in Ruhe mit ihr reden und habe ihr gesagt, dass sie die Finger von meinem Mann lassen soll. Aber sie hat mich ausgelacht… einfach ausgelacht…“ Amandas Tränen kehren zurück.
„Und? Dann haben Sie – mit was auch immer – zugeschlagen? Im Affekt?!“ fragt der Beamte.
„Nein! Ich habe ihr kein Haar gekrümmt! Angeschrien hat sie mich! Er hätte gesagt, er würde sie lieben und dass er nur Zeit bräuchte, um alles zu regeln – und da habe sie aus Reflex geschubst, ich wollte das nicht hören und dann ist Sabine gestürzt. Mit dem Kopf auf einen Stein. Sie war sofort tot…“ Amanda lässt ihren Gefühlen freien Lauf. „Es tut mir so leid!“ sagt sie zu ihrem Mann und schaut zu ihren Kindern.
„Nun, das klingt eigentlich nach einem Unfall. Aber warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?“ versucht der Kommissar, die Situation etwas zu entschärfen.
„Ja…“, Amanda zuckt mit ihren schmalen Schultern, „das hätte ich wohl tun sollen.“ Amandas Mann versucht, die aussichtslose Lage zu retten: „Herr Beyer, ich nehme das alles auf mich! Es ist meine Schuld, dass es überhaupt so weit kam…“
„Sie haben sicher auch ihre Aktie an der Tragödie, aber gewesen sind Sie es nicht“, entgegnet der Ermittler.
„Was haben Sie mit Ihrer Freundin anschließend gemacht?“ möchte Herr Beyer von Amanda wissen.
„Ich habe sie aus lauter Panik direkt dort vergraben, am Feldrand“ gibt Amanda zu.
„Ganz allein?“ Der Kommissar mustert Amanda von oben nach unten. „Sie sind doch so zart?! Und mit was? Einer Schaufel, einem Spaten?“ – prüfend schaut er Amanda an.
„Mit einem Spaten“, antwortet sie.
„Warum haben Sie einen Spaten im Auto? War es doch geplant? Das würde die Geschichte in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen!“ antwortet der Ermittler.
„Nein. Wirklich nicht. Den Spaten hatte ich noch von der Gartenarbeit im Auto liegen. Bitte, das müssen Sie mir glauben!“
„Sie müssen uns zunächst auf`s Präsidium begleiten. Dort wird entschieden, wie es weitergeht.“ Amanda wird nun von den Ermittlern mitgenommen…
Ob Amanda ihren Mann nicht doch an jenem Mittwoch anrief und erzählte, was Furchtbares geschehen ist und er ihr beim Vergraben von Sabines Leiche half, bleibt dem Leser überlassen…